Kaum hatte ich die Haustür geöffnet, stürmte Sabrina auch schon an mir vorbei. „Ich halte das einfach nicht mehr aus!“ rief sie verzweifelt und ließ sich auf unser Sofa fallen. Überrascht schloss ich die Tür wieder und wartete auf eine Erklärung. Die kam auch prompt: „Ganz ehrlich, ich wünschte ja es wäre anders, aber ich weiß echt nicht mehr wie ich noch damit umgehen soll. Tobias findet Körperhygiene wohl seit Neuestem nicht mehr wichtig. Ernsthaft! Ich glaube seine letzte Dusche ist Tage her!“ Wow, ich war von meiner impulsiven Freundin einiges gewohnt, aber jetzt wirkte sie wirklich außer sich. Das war wohl der Grund, warum sie in letzter Zeit immer öfter allein vorbeikam und nicht wie früher zusammen mit ihrem Mann.
Der Blick auf sich selbst
Nach einigen ausführlichen Schilderungen zu Tobias Körperhygiene fragte ich Sabrina, ob auch sie sich in den letzten Monaten vielleicht verändert hatte. Ich kannte meine Freundin und sie verbrachte gerne einmal Stunden damit, alles zu analysieren, was sie an anderen stören könnte, ohne auch einmal zu reflektieren, warum sie so stark darauf reagiert. Wenn also Tobias mal ein zerlöchertes Shirt trägt, stört es sie dann, weil sie es selbst schäbig findet oder fürchtet sie nur die Blicke der Nachbarn?
In unserem Gespräch merkte ich schnell, es spielt beides zusammen. Sie erzählte von ihrem letzten Urlaub und wie sie zusammen abends durch die engen Gassen einer wunderschönen italienischen Stadt spaziert waren. Sie selbst trug ein schönes Abendkleid, war frisiert und schön zurechtgemacht, neben ihr Tobias in ausgeleierten Strandshorts und einem weißen Unterhemd, dass er auch den Tag davor schon getragen hatte, an dem es Tomatensoße gab… „Ganz ehrlich“ gestand sie mir „in diesem Moment wäre ich am liebsten mit einem der sexy Italiener im strahlend weißen Hemd verschwunden, anstatt so zu tun, als würde ich nicht merken, dass uns alle anstarren und sich fragen, was ich wohl mit dem will.“ Es war mehr als deutlich, wie tief Sabrinas Sehnsucht danach war einen gut gekleideten, wohlriechenden Mann an ihrer Seite zu haben mit dem man gern auch mal ins Schlafzimmer verschwinden würde. Tobias war das alles einmal für sie gewesen, aber warum jetzt nicht mehr?
Doch was kann Sabrina helfen?
Uns sind schon viele Frauen und auch Männer begegnet, die an ihren Partnern rummeckern wie an kleinen Kindern: „Wirklich? Das Hemd und die Hose willst Du anziehen. Kann ich Dir nicht rauslegen was Du anziehen sollst?“ Doch meist macht dann der andere Partner eher dicht oder lässt sich erst recht gehen. Denn nur wenige mögen es wie ein Kind behandelt zu werden. Doch manchmal ist es eben so, dass man sich etwas aus den Augen verliert oder vielleicht gar nicht schick machen möchte. So erging es auch Tobias. Tag ein und aus trägt er im Büro Hemd und Krawatte. Er kann es nicht mehr sehen. Er ist so gefrustet von seinem Job, dass er am liebsten nie mehr ins Büro möchte. Irgendwie steht der Anzug und das Tägliche schick machen dafür wie ein Synonym. Anders als Sabrina, sie kommt selten dazu, ein schönes Kleid zu tragen und zu Hause hat sie die Spucktücher und Essensreste der Kinder auf der Kleidung. Sie sehnt sich so danach, endlich mal wieder als Frau begehrt zu sein und zu flirten, einfach schön auszusehen.
Als Sabrina eine Ahnung bekam, wie sich ihr Mann fühlte, sackte sie traurig zusammen. Stimmt, gefragt auf Augenhöhe hatte sie ihn nicht, tatsächlich nur angemeckert und beleidigt.
Sabrinas empfand seine Nachlässigkeit als verletzend, da er ihr das Gefühl gab, für sie gar nicht mehr attraktiv sein zu wollen. „Weißt du manchmal denke ich, dass ich ihm nicht mehr so wichtig bin wie früher und er sich deshalb keine Mühe mehr gibt. So, als wäre ich ein Möbelstück“ Sie lachte bitter. „Ich fühle mich wie ein Sofa, dem es egal ist, ob man in seiner Anwesenheit nur die ausgeleierte Jogginghose trägt und nicht wie eine Frau, für die man begehrenswert sein will!“ Aber wenn uns seine junge Assistentin am Samstag beim Einkaufen begegnet, rückt er sofort seine Hose zurecht und geht aufrecht. Er schafft es sogar zum Einkaufen neuerdings saubere Kleidung anzuziehen, Sabrina weinte.
Der Blick auf den Partner
Nachdem sich Sabrina über ihre Gefühle klar geworden war und sich ein bisschen beruhigt hatte, fragte ich sie, seit wann Tobias sich gehen ließ und es einen Auslöser dafür gab oder es ein schleichender Prozess war. Mich interessierte dabei, ob sie schon versucht hatte, offen und ehrlich mit ihm zu sprechen, um ihm so ihre Gefühlslage und Sichtweise zu schildern. Nicht „Du machst es falsch“, sondern „Ich fühle mich gar nicht mehr begehrt und ich vermisse Dich und uns als Paar so sehr“. Dabei ging es mir weniger darum, dass sie ihm eine Vorschrift machen sollte, wie sie es gerne hätte, sondern darum, seine Bedürfnisse zu ergründen und zu analysieren. Denn ein sich gehen lassen wird von ihr im ersten Moment als Respektlosigkeit empfunden, kann aber auch tiefere Ursachen im Denken des Partners wie Ängste, Zweifel und Depression haben.
Und so doof das klingt, aber manchmal spielt sich das auch im Alltag ein. Da kommt man nach Hause, zieht erst mal Anzug und Hemd aus, um sich dann in Jogginghose auf dem Sofa zu fläzen und denkt gar nicht darüber nach, was die Partnerin dabei empfindet. Im Gegenteil, es ist wie ein Ritual, das Büro abzuschütteln, endlich loszuwerden. Irgendwie machen das sogar beide auf ihre Art. Auch Sabrina macht keinen Sport mehr und hat sich körperlich ganz schön verändert.
Sabrina fasste sich nach unserem Gespräch ein Herz und sprach mit Tobias über ihre Gefühle offen und ohne Wertung und fragte ihn auch nach seinen Bedürfnissen. Sie zeigte damit, dass es lohnenswert ist, sich um den anderen zu bemühen und bot ihm an, dass sie gemeinsam als Team ihre Körper wieder mehr in den Fokus zu nehmen. Sie flirtet wieder viel mehr mit ihm und freut sich, wenn er sich gut anzieht. Beim Einkauf zieht sie ihn knutschend ins Regal, wenn die Assistentin kommt. Er hat das gemerkt und sie spürte, es gefällt ihm sogar. Und was soll ich sagen? Bei unserer nächsten Verabredung stand sie nicht wieder allein vor unserer Tür, neben ihr erschien ihr frisch rasierter Mann in neuem Hemd. Sie strahlten über beide Ohren!
Auch wenn es heute nur um „Mein Mann lässt sich gehen“ ging, wollte ich gerne noch ergänzen, dass das auch umgekehrt der Fall sein kann, darauf gehe ich gerne noch einmal ganz speziell in einem gesonderten Artikel ein. Ich wünsche Ihnen eine glückliche Beziehung mit viel Anziehung!
Ihre Sandra Hornsteiner
Auf einen Blick:
1.Richten Sie den Blick auf sichWas genau stört sie und warum?
2.Geben Sie ihrem Partner eine RückmeldungZeigen Sie ihm, dass sie Veränderungen an ihm wahrnehmen.
3.Erinnern Sie sich an schöne gemeinsame ZeitenWas hat sich verändert?
4.Fragen Sie Ihren Partner auch, was er sich von Ihnen wünscht Sprechen Sie nicht nur über Ihre Bedürfnisse, sondern hören Sie auch ihm zu
5.Machen Sie ihre Grenzen deutlichIhr Partner hat das Recht, sein Verhalten selbst zu wählen, aber Sie können Ihren eigenen Umgang damit bestimmen
6.Erarbeiten Sie mit Ihrem Partner einen konkreten PlanÜberlegen Sie sich gemeinsame Lösungsstrategien
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