Klaus und Astrid lassen sich scheiden. Der Satz, der gerade ihren gesamten Freundeskreis schockiert, pocht dumpf und unaufhörlich in Astrids Kopf. Niemals hätte sie gedacht, dass es einmal so weit kommen würde, denn Klaus war ihre große Liebe und ihr absoluter Traummann als die heirateten. Aufmerksam, liebevoll und in ihren Augen schlicht einzigartig. Damals war sie von ihren Freunden beneidet worden, weil Klaus sie regelmäßig mit Kleinigkeiten überrascht hatte, ihr immer aufmerksam zuhörte und auch bereit war zurückzustecken, damit sie Karriere machen konnte. Doch dann kamen die Kinder, der Aufbau des Unternehmens und alles wurde unausweichlich zum Alltag. Alltägliche Hausarbeit, alltägliche Unternehmensarbeit, alltägliche Kindererziehung und noch nicht mal mehr alltäglicher Sex. Als Paar hatten sie nicht mehr existiert.
Warum? Die Frage, die ihm seine weinende Tochter stellt, beschäftigt den aufgewühlten Klaus. Astrid war ihm untreu und das war letztendlich der Moment, in dem bei ihm die Entscheidung zur Scheidung gefallen war. Aber warum war ihm diese Person, die er mehr als jeden anderen Menschen liebt, fremdgegangen? Sie streiten sich nie, denn Konflikten war er über die Jahre immer weiter aus dem Weg gegangen. Er hatte nach und nach nichts mehr in die Ehe, die in seinen Augen irgendwann nur noch der Kinder wegen bestand, investiert. Sie lief einfach so vor sich hin und verursachte ihm dabei keine großen Probleme, aber auch keine großen Glücksgefühle.
Der Scheidungsgrund fällt Astrid und Klaus auf, ist wohl, dass sich beide auf Dauer nicht wertgeschätzt, gehört und respektiert gefühlt haben. Sie blicken innerlich auf ihre gemeinsame Zeit wie auf einen Film. Astrid denkt zurück an die liebevolle Hochzeitszeremonie und die Gefühlsexplosion bei der Geburt der Kinder und Klaus fällt wieder ein, wie stolz er auf sie beide war, als sie den Hausbau und den Unternehmensaufbau parallel gestemmt hatten. Die brennende Frage bleibt: Was haben wir nur falsch gemacht? Klaus und Astrid suchen das Gespräch, um einen Rosenkrieg zu vermeiden. Sie beide haben als Scheidungskinder erlebt, welche tiefen Wunden die Trennung der eigenen Eltern in der Seele hinterlässt und wollen daher versuchen, gemeinsam Eltern zu bleiben.
1. Selbstverständlichkeit und fehlendes Engagement
Astrid erzählt, dass sie früher das Gefühl hatte, in Klaus Augen etwas Besonderes zu sein. Damals hat er sie oft spontan geküsst und ihr auch in Gesellschaft anderer Blicke zu geworfen, die ihr das Gefühl gaben, die schönste Frau im Raum zu sein, aber das Einzigartige hatte sich immer mehr in Richtung einer Selbstverständlichkeit entwickelt. Nachdem das erste Kind geboren war, hat sich immer mehr Distanz eingeschlichen und sie befanden sich zwar im Gleichklang nur eben nicht im Einklang. Anfangs, so erzählt Astrid, habe sie versucht, schöne Momente und Begegnungen zwischen ihnen zu schaffen, aber als Klaus nicht von sich aus auch mal die Initiative ergriff, hat sie nach und nach aufgegeben und sich mit dem Alltag arrangiert, anstatt es anzusprechen. Insgesamt, gibt Astrid zu, hat sie sich sehr oft wahnsinnig müde und überfordert gefühlt.
2. Ungeklärte Konflikte
Klaus ist erleichtert darüber, dass Astrid dieses grundlegende Problem ausgesprochen hat. Er erklärt ihr, dass er ihren Rückzug gespürt und die abwertenden Blicke in seine Richtung wahrgenommen hat. Er hat nicht verstanden, warum sie seine liebevollen Berührungen immer öfter zurückwies, und hat sie daher immer mehr als Feindin betrachtet, die im Stillen über sein Verhalten urteilt. Deshalb hat er sich nach und nach zurückgezogen. Oberflächlich haben sie aufkommende Konflikte weiter geklärt, aber innerlich hat Klaus sich gefragt, was Astrid wohl denkt und fühlt. Doch weil sie ihm nicht zugänglich erschien, empfand er es als einfacher, es auf sich beruhen zu lassen. Erst als es dann zum Betrug kam, wurde ihm so richtig bewusst, dass er innerlich befürchtet hat, dass etwas zwischen Ihnen steht, was zur Trennung führen würde, wenn er es anspräche. Und dann war es soweit, und er war mit all seinen Emotionen konfrontiert, er fühlte sich, als hätte ihm jemand in den Magen getreten. Bei der Vorstellung, dass ein anderer Mann sie berührte, wurde er rasend vor Eifersucht und er, der nie aggressiv wurde, wollte am liebsten dem Typ eine Antwort unter Männern geben. Dabei hätte er nie gedacht, dass er sich einmal auf dieses Niveau begeben würde. Insgesamt, so fasst Klaus zusammen, hat er sich oft sehr unsicher gefühlt und sich selbst nicht wiedererkannt.
3. Fehlende Nähe, Intimität und Sexualität
Astrid und Klaus erkennen in ihrem Gespräch, dass sie sich tatsächlich wie Feinde zueinander verhalten und wie zwei Boxer im Ring der Vorwürfe stehen. Sie waren über einen langen Zeitraum in ihrer Ehe nicht bereit, das eigene Verhalten zu hinterfragen, sich darüber auszutauschen und etwas zu verändern. Beide waren tief in ihren Komfortzonen versunken und hielten den anderen für schuldig. Astrid fühlte sich von Klaus nicht wertgeschätzt und nicht gesehen, weshalb sie, anstatt es anzusprechen, die Aufmerksamkeit woanders gesucht hat. Klaus fühlte, dass Astrid ihm innerlich etwas vorwarf, und aufgrund dieses stummen Vorwurfs distanzierte er sich von ihr, anstatt ein klärendes Gespräch zu führen. Die Folgen von dieser Distanz waren fehlende körperliche Nähe, fehlende Intimität und ein Nebeneinander anstatt eines Miteinanders. Ihrer beider Enttäuschung, Traurigkeit und Ablenkung führten sie schließlich Entschluss zur Scheidung.
Jetzt, wo sie das Gespräch endlich geführt haben, fühlen sich Klaus und Astrid seltsam leer. All die angestauten Konflikte lagen auf dem Tisch und die unterdrückten Gefühle daneben. Sie sehen sich an und fragen sich, was nun bleibt. Wirklich die Scheidung? Oder ist es nicht doch möglich, die Ehe noch einmal zu drehen? Können wir wieder aufeinander zugehen und gemeinsam aus ganzem Herzen lachen? Wieder den Traumpartner im anderen sehen und die drei großen Fehler, die Selbstverständlichkeit, die ungeklärten Konflikte und die fehlende Nähe vermeiden? Einen Versuch ist es wert! Aber Astrid und Klaus ist klar: Das schaffen wir nicht allein! Daher suchen sie im Internet nach einer Paartherapie, die zu ihnen passt. Sie finden die Nummer von Paartherapeuten, die zu zweit arbeiten. Zwischen Mann und Frau übersetzen. Astrid und Klaus wollen jetzt keine halben Sachen mehr machen und beschließen: Morgen rufen sie an!
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