Paar strahlt glücklich in die Kamera

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Wie hole ich dich in meine Welt? – Partnerorientierte Kommunikation

Abwesend lächelnd beantwortet Marie die Frage ihrer Tochter mit einem Nicken. Sie hat zwar nicht den Hauch einer Ahnung, was die Kleine von ihr wollte, aber die gibt sich offensichtlich damit zufrieden. In ihren Gedanken ist Marie, wie könnte es auch anders sein bei Jakob. Sie seufzt. Warum kann sie nur nicht mehr vor sich hin summend und über beide Ohren verliebt an ihn denken? Sein Bild in ihrem Kopf ist in ihrem Bauch unweigerlich mit Groll verknüpft. Heute Morgen hatte er ihr einen Kaffee gemacht, obwohl er es eilig hatte, doch anstatt sich darüber zu freuen, fiel ihr auf, dass er wieder einmal die Kaffeedose mitten in der Küche hat stehen lassen. Dabei hatte sie ihm das doch bestimmt schon hundert Mal gesagt, wie nervig sie das findet.

Erschöpft lässt Marie sich auf das Sofa sinken und schließt für einen Moment die Augen. Wenn eine Freundin von ihr sich so gegenüber deren Ehemann verhielte, wie sie gegenüber Jakob, würde sie Kritik üben, das weiß sie. Warum kann sie nur nicht aus ihrer Haut? In letzter Zeit ist es immer schlimmer geworden. Marie merkt, wie sich Jakob innerlich immer weiter von ihr entfernt. Letztens hat er ihr wutschnaubend vorgeworfen, gar nichts mehr richtig machen zu können. Sie hatte in seinen Augen die Verzweiflung und das Unverständnis gesehen und wusste, er hatte recht damit. Sie befinden sich in einem Abwärtsstrudel und sie möchte ihn so gerne aufhalten.

Das Eigenleben reflektieren

„Mit mir stimmt etwas nicht!“ Diese Stimme flüstert unaufhörlich in Maries Ohr. Sie weiß Jakob versucht ihr eine Stütze zu sein, aber es manchmal nagt die Verzweiflung über ihre eigenen unwillkürlichen Reaktionen so stark an ihr, dass sie das Gefühl hat, körperlich zu spüren, was mit „dünnhäutig sein“ gemeint ist. Also macht sie sich auf die Suche nach professioneller Hilfe. In einer Therapie vor Ort beginnt Marie ihr Eigenleben zu reflektieren. Das hilft ihr ungemein, denn sie beginnt zu verstehen, warum sie in manchen Dingen so unwirsch reagiert. Der Druck ihrer Eltern, stets perfekt zu sein und dabei möglichst wenige Probleme zu bereiten, liegt immer noch auf ihr.

Jakob stört diese Perfektion in Maries Leben. Und je klarer ihr das wird, desto stärker wird ihr Verlangen, eine neue Ebene mit ihm zu finden. Sie möchte ihn nicht mit den falsch eingetrichterten Vorstellungen ihrer Eltern von sich stoßen, sondern mit ihm gemeinsam ihr Leben kreieren. Trotz dem für sie so wichtigen Schritt der Eigenreflexion weiß sie, dass sie gemeinsam noch einen Weg zu gehen haben. Daher erkundigt sie sich online über passende Paartherapieangebote und findet das Beziehungswochenende. Ein Wochenende, um ihrer Beziehung wieder eine positive Wende zu geben? Das klingt beinahe märchenhaft. Mit einem leichten Unwohlsein wartet sie auf Jakob, um ihm von ihrer Idee zu erzählen. Doch als er zustimmt und sich sogar über ihre Initiative zu freut, explodiert zum ersten Mal seit so langem wieder ein kleines Glücksgefühl in ihrem Bauch. Voller Vorfreude und mit einer neuen Perspektive bucht sie den Termin.

Das Eigenleben kommunizieren

Schon zu Beginn des Wochenendes am Freitagabend gelingt es Marie sich Jakob wieder mehr zu öffnen. Sie liegt in seinen Armen und schafft es ihm von ihrem Schmerz und ihren Empfindungen zu berichten. Damit zieht sie ihn langsam immer mehr in ihre Welt und gibt ihm die Möglichkeit zu verstehen, wie sie fühlt. Es ist, als wäre ihr ein Bergmassiv vom Herzen gefallen, als sie körperlich spürt, wie Jakobs Haltung gegenüber ihr wieder weicher wird, er sich ihr nach und nach wieder mehr zuwendet und körperliche und emotionale Nähe endlich wieder greifbar wird. Auch ihr gelingt es ihm ein neues Verständnis zu schenken. Ihr scheint dabei, als hätte sie zwischenzeitlich verlernt, wie es ist, auf ihn zu achten, ohne dabei selbst in einen Strudel aus Emotionen zu geraten. Die Anspannung verschwindet erst aus ihrer Brust, dann aus ihrem Gesicht und schließlich aus ihrem Herzen. Sie macht der Freude Platz, die die Erleichterung schafft, ihren Mann wieder zu verstehen und wieder tiefes Mitgefühl für seine Sorgen und Ängste aufzubringen.

Marie will nicht wie in der Vergangenheit barsch auf Jakob reagieren, sondern in Zukunft partnerorientiert kommunizieren! (Bild: graphicsdunia4u)

Aus Vergangenheit macht Zukunft
Marie will nicht wie in der Vergangenheit barsch auf Jakob reagieren, sondern in Zukunft partnerorientiert kommunizieren! (Bild: graphicsdunia4u)

1. Die Tatsachen ohne emotionale Bewertung sehen

Jetzt, wo die Negativität aus ihrer Ehe verschwunden ist, brennt Marie auch darauf zu erfahren, wie sie künftig damit umgehen soll, wenn eine Handlung von Jakob sie triggert. Sie will vermeiden, ihn wieder in die Position ihres Feindes zu stellen, wo er doch eigentlich nicht nur ihr Traummann, sondern auch ihr bester Freund ist.

Der erste Schritt für einer mehr „Jakob“-orientierte Kommunikation, so lernt Marie, ist bewusst darauf zu achten, die anfängliche, vielleicht bisher intuitive, emotionale Bewertung zurückzunehmen, und rein auf die Tatsache blicken. Wenn sie also morgens in die Küche kommt, ihren bereits fertigen Kaffee in der Hand und die Kaffeedose sieht, dann ist die Tatsache einfach nur: Da steht eine Kaffeedose. Die kann man auch unabhängig von einem aufkommenden Brodeln im Magen sehen. Sie muss nicht gleich etwas Niederträchtiges annehmen, wie das ihre Bedürfnisse Jakob egal sind oder er ihr nicht zuhört.

2. Sich fragen, ob es das wirklich wert ist

Wenn Marie die einfache Tatsache, eine herumstehende Kaffeedose akzeptiert hat, kann der nächste Schritt folgen: Sie kann sich ruhig und realistisch selbst fragen: Wie schlimm ist das Problem für mich? Durch eine Störung im gewünschten oder erlernten Tagesablauf ist die Gefahr für Marie riesig, direkt dem inneren Feind einen Anreiz zu geben, zu kämpfen. Daher will sie diesen Impuls künftig bewusst zurücknehmen. Wenn sie also in der Küche steht: Einmal tief durchatmen und überlegen: Stört mich diese Kaffeedose wirklich so sehr, dass ich Jakob dafür ankeifen muss und ich mich selbst dem Stress aussetze, mich aufregen, oder kann ich sie einfach auch wegstellen und mir nicht viel dabei denken. Wäre er der heiße Typ aus der Bar, wie zu Beginn ihrer Beziehung, hätte sie die Kaffeedose schließlich auch nicht interessiert.

3. Nicht zwingend Recht haben wollen

„Himmel, wenn ich Zahnschmerzen habe, gehe ich zum Zahnarzt, weshalb hatte ich mich da mit der Hilfe für uns zur Paartherapie zu gehen, so schwergetan. Beim Zahnarzt tut es weh, hier haben wir richtig viel gelernt und sogar gelacht“ Beiden war klar, Streit und Missverständnisse gehören zu unserer Biologie wie das Atmen und Hunger. Sie mussten sich nicht auch noch den Druck machen, hier jetzt auch noch perfekt zu sein. Aber eins war klar, die Nachsorgetermine nach dem Beziehungswochenende nehmen wir wahr, denn unsere Beziehung setzten wir nie wieder aufs Spiel.

So konnten beide schnell und nachhaltig gleich den neuen Umgang mit Schwierigkeiten üben es war immer das „Gleiche“. Als sie es neutral betrachten konnten und das war einfach mit uns am Anfang einfacher, mussten sie immer lachen und erkannten, wie sie manchmal einfach nur trotzig im Sandkasten saßen. Irgendwann konnte sie es ganz allein.

4. Den Reset-Button drücken

Das Ziel ist in greifbarer Nähe. Marie spürt wieder eine tiefe Bindung zu Jakob. Sie weiß wieder, wie sehr sie ihn liebt und ein paar Schmetterlinge fliegen am Ende des Wochenendes auch durch ihren Bauch. Daher ist sie sich sicher: Sie will eine neue „Kritik-Kultur“ in ihrer Ehe. Wenn nach einer realistischen Betrachtung und Bewertung noch etwas übrigbleibt, dann will sie Jakob in ihr Erleben holen, anstatt ihm sein Handeln vorzuwerfen und eine Abneigung auszustrahlen.

Künftig wird sie mit ihm darüber sprechen, wie sie fühlt. Erst die Tatsache und die negativen Folgen darlegen und dann einen Lösungsvorschlag machen, der auch die Aussicht auf etwas Positives verspricht. Besser als ein genervtes Stöhnen mit dem Halbhinweis: „Hier steht schon wieder die Kaffeedose“, ist doch: „Jakob, heute Morgen stand die Kaffeedose im Weg. Für mich ist das unschön, weil ich so morgens erst einmal aufräumen muss, bevor ich frühstücke, und das ärgert mich. Wie wäre es, wenn wir künftig den Kaffee nicht am Küchentisch, sondern auf der Anrichte zubereiten, da kann die Dose dann stehen bleiben. Mein Start in den Tag ist dann einfach viel schöner und ich freue mich gleich viel mehr dir später im Büro, dann ausgeschlafen und gestärkt einen guten Morgen Kuss zu geben.“

Jetzt auf der Heimfahrt von Wochenende fühlt sich Marie so leicht und erfrischt wie lange nicht. Sie freut sich wieder richtig auf das Zusammenleben mit Jakob und ihrer Tochter. Bald haben sie wohl auch einen kleinen Hund. Das kommt davon, wenn man der Tochter geistesabwesend nur mit einem Nicken antwortet und die Frage war: „Mama, versprichst du mir, einen Hund zu kaufen?“

Wir wünschen Ihnen von Herzen, dass es Ihnen gelingt, Ihre möglichen Konflikte gewinnbringend und partnerorientiert zu lösen und Sie wieder miteinander Lachen und das Leben genießen können!

Herzlichst, Ihre Sandra und Robert Hornsteiner

Bild: goodluz