älteres Paar schaut sich verliebt an.

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Darüber spricht man nicht: Die Wechseljahre und der Sex

Fangen wir mit einem harten Fakt an: 40-55 % aller Frauen nach der Menopause leiden an vermindertem sexuellem Verlangen![1] Bei dieser wahnsinnig hohen Zahl überrascht es nicht, dass wir Paare in der Praxis haben, die als Streitpunkt seit Jahren nicht stattfindende Sexualität mitbringen.  Doch, obwohl die Menopause einen negativen Einfluss auf das Sexualleben hat, spricht absolut nichts dafür, einfach aufzugeben…

Wie beeinflussen die Wechseljahre unsere Sexualität? 

Um herauszufinden, wie die Wechseljahre wirklich die Sexualität eines Paares beeinflusst, schauen wir uns erst einmal an, wie Sexualität bisher gelebt wurde: Wenn das Sexleben schon Jahre oder gar Jahrzehnte eingeschlafen war und das Schlafzimmer eher an einen Eissee im Winter erinnert, ist es unfair, jetzt mit den Wechseljahren eine passende Entschuldigung zu finden. Es ist so, dass sexuelle Bedürfnisse auch von Hormonen gesteuert werden, aber eben nicht nur.

1. Beziehungsprobleme

Sind es also gar nicht die Wechseljahre an sich, sondern das Sexleben selbst, das über die Jahre aufgrund von Schwierigkeiten in der Beziehung zum Beispiel durch Machtspiele vernachlässigt worden ist, lohnt es sich ehrlich, die Dinge zu klären, bevor man sich dem Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt stellt. Spätestens zu Beginn der Wechseljahre ist es eine gute Zeit von dem Standpunkt des trotzigen, stampfenden Kindes: „Ich will aber nicht!“ wegzutreten. Lass uns wieder füreinander aufmachen und Verantwortung übernehmen für die zu Grunde liegenden Problematiken. Wenn wir uns wünschen, dass der Eissee zu einem warmen Gewässer wird, braucht es einen Reset und keine Machtspiele mehr.

2. Schmerzen

Durch die Wechseljahre haben viele Frauen zunehmend Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. So geben 12 bis 45 Prozent aller befragen Frauen in einer Studie an, dass sie seit den Wechseljahren häufig Schmerzen beim Sex haben. [2] Schmerzen können nicht nur Frauen betreffen, sondern auch Männer haben mit zunehmendem Alter Probleme zum Beispiel mit der Prostata. Diese stehen auch Paaren, die vor den Wechseljahren ein erfülltes Sexleben hatten, im Weg.

Wichtig ist dann natürlich abzuklären, woher die Schmerzen kommen und ob medizinisch Abhilfe geschaffen werden kann. Es ist doch besser, sich darum zu kümmern und wieder vor Lust, statt vor Schmerz das Gesicht zu verziehen. Aber auch noch während Schmerzen einschränken, ist es möglich, eine schöne Sexualität zu leben. In der Praxis hatten wir einmal ein Paar, bei dem die Frau aus medizinischen Gründen keinen Geschlechtsverkehr haben konnte, aber ihr Sexleben war fantastisch. Beide gingen fantasievoll, zärtlich, achtsam miteinander um und überraschten sich immer wieder mit neuen Ideen im Bett. Es war geradezu faszinierend, ihnen zuzuhören, wie sie über ihr Sexleben sprachen. Obwohl sie natürlich es auch gerne einmal probiert hätten, war üblicher Verkehr so gar nicht mehr erstrebenswert für sie. Ihre Entspannung, Freude und dass sie nicht zu ernst an die Sache herangingen, war ihr Schlüssel zum Glück.

3. Hormone

Hormone haben bei der Sexualität und Wechseljahren eine besondere Stellung. Wenn der Testosteronstatus des Mannes sinkt und die Standkraft nachlässt, wird bei ihm durch weniger Sexualität auch weniger Oxytocin (auch bekannt als Kuschelhormon) gebildet. Das wiederum ist sehr wichtig für die Prostata und den Hormonstatus. Was für ein anstrengender Teufelskreis.

Den kann man aber durchbrechen! Wir haben bereits Beiträge zur Hormonumstellung in den Wechseljahren beim Mann und bei der Frau geschrieben, die unten verlinkt sind. Lesen Sie gerne auch diese Blogbeiträge.

Wie finden wir sexuell zueinander?

Die Zeit der Wechseljahre können auch sinnbildlich als Wechsel, als Wandel verstanden werden. Dazu kommt, dass die Kinder nicht mehr um 7 Uhr morgens mit kalten Füßchen ins Bett krabbeln und oft, wenn sie noch im Haus leben, nur zum Essen erscheinen. Fakt ist, dass dann auch die Scheidungsraten hochgehen.  Dabei wäre doch jetzt gerade die Zeit, sich neu zu finden, stolz auf das u sein, was ein Paar erschaffen hat und zu genießen. Jetzt können Paare sich mit neuer Lust und Freude begegnen, sich sexuell wieder nahekommen.

Das Gute ist, diese Nähe hängt nicht davon ab, ob der Penis in der Vagina steckt, sondern wie sich ein Paar neu begegnet. Sanfte Berührungen, begehrende Blicke, ein Flirten, liebevolle Worte können den Eissee zum Schmelzen bringen. Ist man sehr starr miteinander geworden und gleichzeitig offen für ganz neue Erfahrungen, gibt es spannende Wege wie Tantra. Es gibt Institute, die Paarkurse anbieten ohne zu viel Nacktheit im Seminarraum. Man macht seine Übungen dann gemeinsam im eigenen Zimmer. Hier findet kein Verkehr im üblichen Sinne statt, ein Orgasmus als solcher ist nicht das Ziel. Das Ziel ist Nähe und eine neue Art von Berührung. Für ein glückliches Sexleben reicht die Grundlage der tiefen inneren Einstellung, dem Partner liebend zu begegnen und den Wunsch, gemeinsam neu Lust zu empfinden.

Was trennt Paare von gutem Sex?

Von gutem Sex trennt Paare ihr Haltung, die sie in der Beziehung leben. Zwei liebende Partner möchten dem anderen nicht wehtun und der andere möchte nicht, dass der Partner auf Sex verzichten muss. Es würde immer um Lösungen gehen und alle Bedürfnisse würden im Fokus stehen. So liegt der Kern der Problematik, das Paare weniger oder kaum mehr Sex haben und damit unglücklich sind, nicht in den Lenden, sondern in den Köpfen. Zusätzlich schränken vier Dinge ein:

  • die Erwartungen an Sex, gesteuert von dem, was man in Pornos sah
  • Wenig Engagement und wenig Einbringen, um das gemeinsame Sexleben zu gestalten
  • Ein zu hohes Stresslevel, das verhindert, sich richtig fallen lassen zu können
  • Scheuklappen vs. Fantasie

Eine kurze Erläuterung zum letzten Punkt: In Gesprächen über Sex fällt mir auf, wie aufgeschlossen Menschen innerlich sind. Wenn ich zum Beispiel Tantra als Möglichkeit neues zu entdecken anspreche, sehe ich einen spannenden Film in den Augen auftauchen. Blitzt da Neugier auf oder Schock, dass gestandene, seriöse und bodenständige Paartherapeuten sowas für möglich halten. Erst wenn ich mit Studien aufzeige, dass Abenteuer mit dem Partner hormonell dafür sorgen, dass man wieder in einen verliebten Zustand kommen kann, egal wie lange man zusammen ist, atmet der ein oder andere wieder sichtlich auf. Dabei können Sie auch durch Safarigebiete wandern oder die Welt umsegeln, wichtig ist, dass sie dies als Team erleben und in der Nähe, denn um Sex geht es ja jetzt nun mal.  Das Ziel ist, die routinierte Langeweile im Sex und Leben in Lebendigkeit zu erwecken, wie eine Schlange, die nicht mehr nur faul in der Ecke liegt, sondern fröhlich vor sich her züngelt.

Wenn Paare in die Wechseljahre kommen, ist es ratsam, nicht zu warten, bis das Sexleben eingeschlafen ist, sondern schon früh zu schauen, was für das jeweilige Paar am besten ist. Sexualität ist auch ein Quell der Freude, Lebensenergie und Kraft. Jeder, der sich davon abschneidet, wird merken, dass ihm etwas fehlt. Gerade Frauen, die sagen: „Hach, das will ich nicht mehr“ merken, wenn sie einen spannenden neuen Mann kennenlernen, wovon sie sich abgeschnitten haben. Warum also nicht schon vorher Spannung und Neues reinbringen?

Ich wünsche Ihnen das Beste dafür,

Ihre Sandra Hornsteiner

Auf einen Blick 

Wechseljahre können die Sexualität beeinflussen durch:

  • Beziehungsprobleme
  • Schmerzen
  • Hormone

Sexuell wieder zueinander finden durch:

  • Fantasie-, und humorvoll miteinander umgehen
  • Neue Praktiken wie Tantra ausprobieren
  • Das gemeinsame Sexleben nicht aus den Augen verlieren

[1]https://deximed.de/home/klinischethemen/gynaekologie/patienteninformationen/sexualberatung/sexuelle-funktionsstoerungen-in-den-wechseljahren

[2]https://deximed.de/home/klinischethemen/gynaekologie/patienteninformationen/sexualberatung/sexuelle-funktionsstoerungen-in-den-wechseljahren

(Bild: Roman Pashkovsky)