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Hochsensibilität

Fluch oder Segen? Befreiung oder Schublade?

Heute mag ich hier in dem Blog ein Thema ansprechen, was mich zutiefst berührt und gleichzeitig wach macht.Hochsensibilität, was ist das? Ich kann nur sagen wie ich es fühle, da ich die Erfahrung gemacht habe, dass es dann bei Licht betrachtet doch unterschiedlich ist, wie wir Menschen eben unterschiedlich sind.

Ich persönlich höre das Gras wachsen und höre schon oft wenn Besuch kommt bevor er an unserer Haustür klingelt. Unser Hund ist in der Disziplin das zu hören und zu riechen allerdings deutlich stärker ;-). Aber jetzt zurück, ich spüre bei Menschen sehr deutlich wie sie sich fühlen, selbst wenn sie etwas anderes sagen. Ich kann den Schmerz und die Freude in Menschen pur sehen und wenn ich es zulasse auch fühlen. In der Praxis fällt es mir leicht hinter die Fassaden der Menschen zu spüren, teilweise ist in den ersten 10 Minuten schon deutlich klar, worum es in der Tiefe geht. Ich weiß genau wenn mich jemand belügt und mich verletzt es zutiefst, wenn ein Mensch, den ich liebe, dies tut.Als hochsensibler Mensch möchte ich gerne alles perfekt  machen, gleichzeitig ist mein eigenes Level manchmal extrem hoch. Ich fühle mich manchmal wie erschlagen von meiner To Do Liste und wenn dann noch mein Mann Robert um die Ecke kommt und sagt was noch alles jetzt total wichtig ist aus seiner Sicht, spüre ich manchmal das Gefühl der Überforderung. Das sind Momente, an denen ich mich am liebsten einfach mal völlig zurückziehen möchte, mir das aber nicht so oft erlaube, wie es gut für mich wäre. Dann spüre ich Zweifel an mir selbst, Zweifel an anderen und versuch so schnell wie möglich dieser Situation, die unharmonisch ist zu entgehen.Dadurch habe ich gelernt inzwischen sehr schnell und klar zu reagieren aber auch das ist nicht immer leicht, da ich ja sofort spüre, wenn der andere dadurch in einen eigenen Prozess fällt.In der Beziehung zu Robert habe ich gelernt nicht mehr aus Konflikten zu flüchten sondern stehen zu bleiben. Es hat mich sehr viel Kraft gekostet das zu lernen, da es eigentlich gegen mein inneres Schutzbedürfnis ging, heute bin ich dem harten Training dankbar, langsam kann ich bewusster entscheiden, beides geht. Ich kann flüchten und dazu stehen, kann kämpfen und mich reiben und auch in Liebe bleiben und mein Herz offen halten für meinen Mann.

Was auch ein großer Punkt ist, dass mich die Stimmungen anderer Menschen nicht einfach kalt lassen. Ich habe ganz lange an mir gezweifelt, weshalb ich da nicht einfach drüber stehen kann. Wenn zum Beispiel die Kinder meines Mannes zu uns ins Haus kommen und schlechte Stimmung mitbringen und sogar noch rumbomben, fühle ich mich in meinem heiligen Raum verletzt und überfahren. Als wenn ein ICE ohne Vorwarnung über mich drüber rast, unkontrolliert und ohne Möglichkeit zur Seite zu springen. Ich habe keine andere Wahl als zu flüchten und das Haus zu verlassen, mich innerlich zu distanzieren oder mit Robert zu versuchen, das zu lösen. Klar habe ich mich dazu entschieden hier mit Robert gemeinsam zu sein, gleichzeitig überfährt es mich immer und immer wieder und mein Rückzugsraum wird unkontrolliert zum Kampfplatz für andere.Was mir dabei jetzt hilft, ist bewusst zu beobachten was hier eigentlich los ist und mir nicht alles zu Herzen zu nehmen, den Kindern ihre Prozesse mit ihrem Vater zu lassen und wenn wir Besuch haben, mich dann lieber um den Besuch zu kümmern und da den Raum zu halten. Gleichzeitig kann ich kaum anders als trotzdem die intensiven Gefühle in dem Moment zu scannen und zu versuchen wieder Ordnung in das Chaos zu bringen.Besonders schön ist es dann, wenn wir mit diesen 2 tollen Mädels einfach viel Spaß haben, lachen, über eine Wiese rollen oder harmonisch zusammen sind, dann geht mein Herz weit auf, denn ich mag die zwei sehr.

Generell stehe ich mehr unter Dauerstress, mein Körper ist eher angespannt, meine Gedanken sind mit dem Aufwachen aktiv und hören erst auf wenn ich eingeschlafen bin. Gleichzeitig fühle ich das so nicht unbedingt, ich bin es ja gewöhnt und mein Leben ist voller Abenteuer!

Mein Leben ist generell entrümpelt von Chaos. Ich persönlich kann gut mit Veränderungen umgehen, zumindest wenn ich meine, diese noch kontrollieren zu können, dann suche ich sie intensiv. Wir brauchen nicht darüber reden, dass Veränderungen nicht wirklich kontrollierbar sind, da ich ja nie weiß, wie ich hinten aus der Waschmaschine wieder raus komme, aber solange ich schritt für schritt ein wenig kontrollieren kann, gehe ich da sehr gerne rein, weil ich gelernt habe, wie schön Veränderung ist.Ich kenne aber auch sehr hochsensible Menschen, für die Veränderungen ein absoluter Schrecken sind. Der Versuch mein Leben so harmonisch wie möglich zu kreieren hat deutliche Zeichen, kein Fernseher schon seit 4 Jahren, wenn ich Filme schaue, dann nur aufbauende, keine Zeitung, Nachrichten nur wenn ich Lust darauf habe und sie bewusst suche, Freunde die achtsam und bewusst sind. Das heißt nicht, dass wir uns nicht reiben können und die absolute Rampensäue sein können 😉 aber wir begegnen uns mit viel Liebe und Respekt.

Wir haben auch eine Weile gebraucht um zu erkennen, weshalb es völlig ok ist, dass ich total schreckhaft bin und mein Mann nicht. Jedes Mal wenn ich einen Schreck im Auto bekomme weil jemand stark vor uns bremst oder Robert nah auffährt, wurde ich stinkig und bekam Angst und Robert meinte ich  übertreibe mal wieder.

Beruflich konnte ich erst entspannen, als ich meine Berufung gefunden hatte, mein Leben einen wirklichen Sinn bekommen hat. Vorher war ich nach 3 Stunden völlig fertig, im Hamsterrad zwischen, mein Job um Geld zu verdienen und meinem Anspruch und Werten, die ich im Privat Banking nicht fand. Ich kämpfte jeden Tag, heute kann ich nicht genug bekommen, was auch manchmal wieder zu viel ist.Hochsensibilität ist für mich eine Herausforderung genauso wie ein Segen. Denn neben den Dingen für mich, die auch etwas schwieriger sind, wie die Wahrnehmung von starken Außenreizen zum Beispiel, erlebe ich eine sehr hohe Qualität im Leben.Ich fühle Menschen intensiv und begegne ihnen intensiv auf einer sehr liebevollen und offenen Ebene. Das spüren, dass hier etwas nicht stimmt und dann das früh Ansprechen, manchmal bevor der andere das überhaupt selbst bemerkt, hilft Konflikte früh auszuräumen, dann wenn sie noch nicht groß aufgebäumt sind. Das nicht aushalten von offenen Konflikten führt zu viel Harmonie und das Scannen zu sehr vielen Ideen.

Gleichzeitig gibt es etwas, was mich bei all dem Thema deutlich wach macht und stört. Die Schublade die wir uns damit immer selbst geben und uns darin zurückziehen, genauso wie wir sie dann manchmal benutzen um uns selbst zu schützen.Ich entdecke darin auch eine „NICHTEHRLICHKEIT“ zu mir selbst. Nehmen wir das Thema Schreck im Auto. Klar kann ich das auf die Schublade Hochsensibilität zurückführen, ich kann aber auch erkennen, dass ich da nicht frei bin. Nach mehreren großen Autounfällen mit Überschlag und Flug über die Autobahn auf dem Dach kann ich mir auch die Frage stellen, was ist da in mir innerlich gespeichert und mir auf die Spur kommen. Wenn ich lieber flüchte im Streit, kann ich mir auch die Frage stellen, was habe ich denn dazu gelernt, ganz früher bei meinen Eltern zum Beispiel und was will ich eigentlich jetzt gerne leben? Bei den Konflikten mit den Kinder von Robert und Robert, kann ich mir die Frage stellen, weshalb kann ich da nicht einfach bei mir bleiben? Habe ich vielleicht immer noch die Angst nicht geliebt zu werden, also fällt es mir immer noch manchmal schwer mich selbst einfach so zu lieben wie ich bin und mache mich klein?Wenn ich das Gefühl habe, ein nicht hochsensibler Mensch versteht mich eben manchmal nicht, mache ich es mir damit nicht verdammt leicht? Wenn ich mich aus dem Weltgeschehen rausziehe, übernehme ich dann Verantwortung für mich, das Leben und für all das was ich bewegen könnte? Bin ich nicht manchmal aus meinem Schutz heraus nicht auch alles andere als sensibel? Bin ich wirklich mutig und mag mich selbst radikal ehrlich betrachten?

Meine Lösung ist es das Thema zwar bewusst zu betrachten und auch, dass ich mich und andere Menschen nicht bewerte, gleichzeitig diese Schublade zu verbrennen, mich frei zu machen davon. Ich bin ich und Du bist Du, Ich bin Du und Du bist Ich, egal ob hochsensibel oder nicht. Ich kann nur so wirksam wie nur möglich lernen ich zu sein und das so frei wie es nur geht, UND den Fokus darauf legen das Leben zu genießen und etwas Gutes daraus zu machen, das Gras zu hören ;-).Mein Mann hilft mir sogar dabei, wenn er nicht auch noch hochsensibel ist, denn er hält stabil den Raum, wenn ich mich gerade wieder weite, eine neue Schale der Zwiebel häute und er mich dann in dem Moment erdet, wenn ich es gerade selbst nicht kann.Im Moment lerne ich sehr viel darüber noch bewusster damit umzugehen, mich noch bewusster zu erkennen, was mir persönlich sehr hilft. Wie kann ich mit meinem Partner hier liebevolle Lösungen finden. Wie kann ich noch schneller erkennen, ob ein Prozess aus der Sensibilität heraus kommt oder nicht. Wie kann ich lernen in Konflikten noch stabiler und im Frieden mit mir sein. Wie kann ich lernen meine Macherenergie so in der Balance einzusetzen, dass ich meine Sensitivität nicht überfahre.

Welche Fragen hast Du zu diesem Thema Hochsensibilität?

Danke, dass es Dich gibt und wir uns begegnen dürfen, Deine Sandra

Bild: oneinchpunch 7