Frau schlägt verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammen.

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Ständig Streit – Warum bin immer ich schuld in meiner Beziehung?

„Du denkst auch immer nur an dich!“, „Ich interessiere Dich doch gar nicht!“ und „Du bist nie da!“ Vorwürfe und der ein oder andere hat sie vielleicht schon einmal gehört. Diese Vorhaltungen können nagende Schuldgefühle auslösen. Doch woher kommt es, dass einer sich schneller schuldig fühlt und der andere vielleicht nicht und wie geht man seinen eigenen Schuldgefühlen auf den Grund? Wie gelingt es uns selbst köstlich darüber zu schmunzeln? Das verraten wir euch gerne mit einem tiefen Blick in unser eigenes Hirn, genauer in unser limbisches System.

Warum fühlen wir uns schuldig?

Kleine Babys empfinden keine Schuld, wenn sie Mama und Papa das fünfte oder sechste Mal aus dem Bett holen oder mit ihren Beinchen strampeln, bis der Babypuder vom Wickeltisch purzelt und sich überall verteilt. Auch die Katze, die eine Maus fängt und noch ein bisschen mit ihr spielt, fühlt sich nicht schlecht deswegen. Aber wenn unser Hund Pepe mal wieder mit seinem buschigen Schwanz eine Christbaumkugel vom Baum fegt, können wir beobachten, wie er uns einen vorsichtigen Blick zuwirft. Selbst wenn wir dann lachen, schaut er vorsichtig hinter sich.

Schuldgefühle sind nicht angeboren, wir lernen sie erst.

Die Wissenschaft unterscheidet hier in Basis-, und soziale Emotionen. Erstere ist quasi unsere emotionale und lebenserhaltende Grundausstattung. Dazu gehören zum Beispiel Freude, Ekel, Angst, Ärger, Überraschung, Scham und Scheu. Das limbische System ist an ihrer Entstehung beteiligt. Ein weiterer Teil des Gehirns: die präfrontale Rinde, ist für die sekundären, sozialen Emotionen zuständig, zu ihnen gehören Mitgefühl, Dankbarkeit, aber auch Neid, Gier und eben Schuld.[1]

Die Emotionen, die erst gebildet und geformt werden, entwickeln sich bei jedem anders. Denn ein Baby lernt erst, dass Mama und Papa bestimmte Dinge wie Grinsen oder Kuscheln toll finden und andere wie Kreischen oder Beißen nicht. Aber im Aufwachsen entwickeln Kinder unterschiedliche Emotionen, da Elternpaare ja auch unterschiedlich sind. Wenn das eine Elternpaar sich die Ohren zuhält und schimpft, wenn das Kind Geige lernt und ein anderes Paar verzückt den Tönen lauscht und sich freut, entwickelt auch nur eins von zwei Kindern ein Schuldgefühl.

Schuldgefühl als anerzogener Machtbegriff

Schuldgefühle können auch ein Machtmittel sein, um anderen zu zeigen: Da bist du nicht richtig! Auch in unseren Beziehungen scannt unser Gehirn immer auch einen Schuldabgleich, um Sicherheit zu bekommen. Es fragt: Stimmt unser Verhältnis von Geben und Nehmen? Und wenn man das Gefühl hat, der andere gibt nicht ist die Reaktion oft Rückzug und Distanz, sodass der andere schnell merkt: „Oh, ich habe wohl etwas falsch gemacht!“

Wie kann ich mit dem Thema Schuld am besten umgehen?

Schuldgefühle sind von unserem Mindset und unseren Erfahrungen geprägt. Sieht man sich zum Beispiel die deutsche Beerdigungstradition an. Wir sind hier eine feierliche, traurige Zeremonie gewohnt, an der wir schwarz tragen. Aber in anderen Kulturen wird an Beerdigungen gelacht, bunt getragen und das vergangene Leben lauthals gefeiert. Da kann man mit deutschem Background schon mal ein schlechtes Gefühl beim Tanz ums Grab entwickeln: Was machen wir hier?

Wie kann man mit dem oft sehr individuellen Thema Schuld am besten umgehen?

1. Frage Warum habe ich das Gefühl denn?

Die erste Frage, wenn man sich schuldig fühlt, ist die danach, welche Lebensbereiche es denn berührt. Hat man gegen das Gesetz verstoßen und Angst, öffentlich damit aufzufliegen. Oder etwas getan, das gegen das Gemeinschaftsgefühl geht und kann nun in sozialen Situationen nicht mehr ganz gelöst sein, da immer die Furcht besteht, die Quittung zu bekommen? Oder fühlt man sich schuldig wegen etwas, das nur in einem selbst vorkommt, weil im Kopf die rote Leuchte „Das macht man doch nicht“ blinkt.

Als jungem Mädchen wurde einem beispielsweise beigebracht, nicht zu wild zu sein oder sich aufreizend anzuziehen und das kann tief sitzen. Was uns aber zu der zweiten Frage führt:

2. Frage: Ist das Gefühl heute noch gültig?

Heute als erwachsene Frau kann man je nach Gelegenheit selbst entscheiden, wie man sich kleiden möchte. Aufreizend? Ja, warum nicht, deshalb muss man sich nicht schlecht fühlen und kann die aufblinkende Lampe gut und gerne ignorieren. Auch andere vergangene Missetaten kann man noch einmal mit der heutigen Brille bewerten und sich fragen: Muss ich mich heute noch deshalb schlecht fühlen oder kann ich nicht auch darüber schmunzeln?

3. Frage: Wie reagiere ich auf meine Schuld?

Auch wie mit Schuld umgegangen wird, ist sehr individuell. Hinterfrage ich meine Fehler, räume ich meinen Anteil ein, suche ich nach Lösungen oder benutze ich Ausreden. Auch das schnelle Abkanzeln wie: „Ja, dann bin ich halt schuld, wie immer“ führt nicht weiter. Ehrliches Hinterfragen und Tragen der Verantwortungen hingehen hilft es wirklich anders zu machen.

4. Frage: Wie kann ich Schuldgefühle in mir ausgleichen?

Schuldgefühle können in uns zu einem richtiggehend nagenden Unwohlsein werden. Bin ich schuld, wenn ich die Ehe beende? Habe ich alles falsch gemacht? Welchen Anteil habe ich daran? Diesen Anteil kann man in sich selbst entschuldigen, in sich verarbeiten. Was tut mir leid und wie möchte ich mich zukünftig entscheiden.

Zu sich selbst offen zu sein und sich zu vergeben hilft, dass sich ein Schuldgefühl auflöst. Nicht die andere Person ist dafür zuständig oder verantwortlich mir dieses Gefühl zu nehmen, selbst wenn ich mich \”ent-schuldige\”. Wahres \”Ent-Schulden\” kann man sich nur selbst geben. Und heute bin ich nicht mehr der Mensch, der ich zu dem Zeitpunkt war. Ich lerne jeden Tag dazu. Humor sich gegenüber und gleichzeitig aus den Dingen lernen ist ein guter Weg.

Der erwachsene Mensch hat Babys und Tieren etwas voraus: Er kann sich selbst reflektieren und sich seiner Emotionen bewusst werden. Gerade Schuldgefühle ehrlich zu reflektieren, hilft in der Partnerschaft offen und liebevoll miteinander umzugehen.

Wir wünschen Dir dafür nur das Beste.

Robert und Sandra Hornsteiner

Auf einen Blick

Die vier Fragen bei Schuldgefühlen:

  • Frage: Warum habe ich das Gefühl denn?
  • Frage: Ist das Gefühl heute noch gültig?
  • Frage: Wie reagiere ich auf meine Schuld?
  • Frage: Wie kann ich das Schuldgefühl in mir ausgleichen?

[1] https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/psychologie/emotionen_wegweiser_durchs_leben/pwiegefuehltelebenserfahrung100.html

Bild: Kuldunova_Anna