Hände von Eltern und Kindern liegen übereinander.

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Was ist eine Patchwork-Familie? Wie meistert man die besondere Herausforderung?

Das früher bekannte steife „Stief“ ist längst überholt! Warum? Weil es heutzutage immer normaler wird, dass es Familien gibt „in der von unterschiedlichen Eltern stammende Kinder leben“, wie der Duden es so schön formuliert. 7-13 % aller Familien in Deutschland leben ein „Patchworksystem“. Also jede Zehnte! [1] Der Name Patchwork bezieht sich auf einen Flickenteppich und wird verwendet, da die einzelnen Teile der Familie unendlich vielfältig und unterschiedlich sein können. Doch was haben diese Familien trotz aller Unterschiede gemein? Es braucht Zeit, Geduld, Empathie und eine gehörige Portion Humor, damit das neu geschaffene System funktioniert!

Zusammengewürfelt – ein verstorbenes Elternteil

Im Grunde können zwei Dinge dem Entstehen einer Patchworkfamilie vorausgehen: Tod oder Trennung. Wenn ein Elternteil der Ursprungsfamilie gestorben ist, birgt eine neue Familie ganz besondere Herausforderungen. Entweder sind die Kinder glücklich, dass ihr verbliebenes Elternteil wieder Freude empfindet oder aber sie fühlen sich verraten und haben Angst, dass ihr Totes im Alltag oft auch Idealisiertes Elternteil darüber in Vergessenheit gerät. Hier ist es sehr wichtig, die Kinder an die Hand zu nehmen und ihnen zu zeigen, dass beides stattfinden darf: Die Erinnerung an den verstorbenen Elternteil und der neue Partner.

Zusammengewürfelt – getrennte Eltern

Die andere Möglichkeit, die einer Patchworkfamilie vorausgehen kann, ist eine Trennung oder Scheidung. Kennzeichnend ist immer, dass viele direkt oder indirekt am neuen System Beteiligte sich das so nicht ausgesucht haben. Es treffen sehr unterschiedliche Bedürfnisse oder Erwartungen aufeinander. Während sich Elternteile neu verlieben, wünschen sich Kinder vielleicht noch, dass Mama und Papa wieder zusammenkommen und sträuben sich gegen den neuen Partner oder sabotieren die Beziehung. Gerade weil die Kinder die Situation selbst nicht gewählt haben, benötigen sie besonderen Schutz und es ist wichtig, ihre Gefühle ernst zu nehmen. Was nicht bedeutet ihnen alles zu geben, was sie verlangen!

Neben den Kindern spielen bei einer vorausgegangenen Trennung natürlich auch die ehemaligen Partner eine Rolle. Besonders schwierig wird es, wenn Eifersucht oder Unverständnis dem neuen Partner gegenüber das Verhältnis erschwert. Offene Kommunikation über die Rolle des Neuen mit dem Ex kann helfen, die Kinder in den Fokus zu nehmen, denn die grundlegenden Erziehungsentscheidungen sollten die biologischen Eltern weiterhin zusammen fällen. Letztendlich sind alle Beteiligten dafür verantwortlich, dass es den Kindern gut geht und sie sich so wohl als möglich im neuen System fühlen.

Hoch emotional aufgeladene Erwartungen sind ein großes Problem, aber eine Patchworkfamilie ist vor allem auch eine Chance. Die Kinder sehen eine andere Familie, ein neues Setting und lernen eine hoffentlich glücklichere Beziehung kennen, als es die ihrer Eltern war. Doch wir möchten hier nichts „schönreden“: Natürlich ist eine Patchworkfamilie eine Herausforderung und manchmal auch Fluch und Segen, denn ca. die Hälfte aller Patchworkfamilien trennen sich wieder, was weiter traumatisierend für die Kinder sein kann. Deshalb haben wir drei Hinweise aus Erfahrung, die sehr wichtig sind, um dem neuen Familiensystem zu Erfolg zu verhelfen.

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Passen sie gut auf die Herzen der Kinder auf.Bild: syda_productions

Tipps und Tricks

1. Klare Absprachen

Ein erster wichtiger Schritt ist schon vor dem Eingehen einer neuen Beziehung wichtig: Die Trennung der alten möglichst klar über die Bühne bringen und Konflikte offen und ruhig klären. Natürlich ist das nicht immer leicht, aber gerade für die gemeinsamen Kinder ist es wichtig, dass eine klare Aufgabenverteilung besprochen wird, mit der möglichst beide Elternteile glücklich sind und so gemeinsame Regeln und Werte ihren Raum finden können.

Und klare Absprachen sind natürlich auch für das neue Zusammenleben wichtig. Indem ein Paar immer wieder über ihren neuen Alltag und die gemeinsamen Herausforderungen spricht, können Sie einen sicheren Rahmen schaffen, in dem Kinder sich entfalten. Grundsätzlich ist es wichtig, Konflikte konstruktiv auszutragen und die Perspektive der anderen Beteiligten nicht aus den Augen zu verlieren.

Gerade wenn neue Geschwister dazukommen, ist es wichtig, mit den Kindern ausführlich über ihre Ängste und Befürchtungen in Bezug auf die Patchworkfamilie zu sprechen und ihnen deutlich zu machen, dass sie wie eh und je geliebt werden, ganz egal ob sich die Situation in der Familie nun ändert und aus dem Kleinen nun vielleicht der Große wird.

2. Zeit und Geduld

Wer dem Patchworksystem zum Erfolg verhelfen will, braucht vor allem eins: Einen kilometermeterlangen Geduldsfaden! Das beginnt beim ersten Kennenlernen der Kinder des Partners und endet nie. Was hilft, ist ganz bewusst, die schönen Momente zu genießen und auch einmal tief durchzuatmen, wenn es kompliziert wird. Und: Sich ganz bewusst Zeit und Raum zu geben. Vielleicht wartet man beispielsweise mit dem Zusammenziehen, wenn das möglich ist, sodass auch eine Rückzugsmöglichkeit weiter gegeben ist.

Wer zu schnell, zu viel von den Kindern des anderen erwartet, wird meist enttäuscht. Kinder bauen nicht von heute auf morgen Vertrauen zu einer Person auf, nur weil Mama oder Papa sich in diese verliebt hat. Und auch die „Stief“-mutter bzw. der Vater hat keinen Hormonbonus wie die leiblichen Eltern und nehmen daher oft Dinge ungeschönt wahr. Das macht es natürlich nicht leichter. Gerade weil dieses „Zusammenfinden“ organisatorisch und emotional fordernd ist, ist das Trennungsrisiko groß.

Neben Geduld ist das Achten auf die noch junge Paarbeziehung besonders wichtig. Wer als Paar zusammensteht, gibt den Kindern ein klares Signal: „Wir trennen uns nicht, nur weil ihr Stress verursacht“ und zeigt so deutlich, dass sie sich auf den Bestand des neues Systems verlassen können. Oftmals kann auch ein objektiver Blick von außen ausgesprochen hilfreich sein.

3. Liebe und Geborgenheit

Vertrauen vermittelt man nicht, indem man schon bei der ersten Kontaktaufnahme eine Beziehung mit beispielsweise einem „Nenn mich ab jetzt Mama“ erzwingt. Kinder und auch Eltern finden sich nach und nach in ein neues System ein, und wenn einmal negative Reaktionen aufgrund eines Loyalitätskonflikts kommen, ist es wichtig, diese nicht persönlich zu nehmen. Das bedeutet nicht, sich alles gefallen zu lassen und gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

Sicherheit und Geborgenheit wird auch dadurch vermittelt, dass man ehrlich und offen miteinander spricht.  Neue Rollen und Grenzen werden gut ausgelotet, wenn man einen sicheren Raum schafft und Empathie und Fairness zu den Leitprinzipien werden lässt. Wenn der Findungsprozess so gut gelingt, glätten sich die Wogen auch schnell wieder und es bleibt die Möglichkeit fest und sicher als Familie zusammenzuwachsen.

Chancen von Patchwork

Zum Schluss noch ein richtiger Hoffnungsschimmer: Studien belegen klar, dass Kinder, durch Patchwork bedeutende soziale Kompetenzen wie: Verantwortungsgefühl, Selbstständigkeit, Konfliktverhalten, Anpassungsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Kommunikationsfähigkeit und Empathie lernen. Kinder, die in alternativen Familienformen aufwachsen, sind später oft eher in der Lage, Verantwortung zu übernehmen. Also verzweifeln sie nicht. Vielleicht kämpfen sie jetzt mit der späteren Bundeskanzlerin!

Lassen Sie sich ganz auf die neue Situation ein und machen sie das beste darauf für sich selbst und ihre (Patchwork-)Kinder! Dabei wünschen wir Ihnen nur das Beste!

Sandra und Robert Hornsteiner

Auf einen Blick 

1. Klare Absprachen

Führen Sie ehrliche, offene Gespräche und einigen Sie sich auf klare Absprachen – Mit dem Partner, dem Ex aber auch den Kindern!

2. Zeit und Geduld

Haben Sie Geduld und geben sie sich und allen Beteiligten die Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen!

3. Liebe und Geborgenheit

Vermitteln Sie Sicherheit im neu geschaffenen System und bieten Sie sich und Ihren Kindern einen Rahmen zur freien Entfaltung

[1] apomio.de/blog/artikel/patchworkfamilien-modell-der-zukunft
(Bild: asife)