Paar küsst sich leidenschaftlich

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Darüber spricht man nicht – Meine Frau hat keine Lust auf Sexualität – Was sind die Gründe?

„Heute nicht Schatz, – ich habe Kopfschmerzen“ Wer kennt diesen Satz nicht? Wenn nicht aus eigener Erfahrung, so muss er doch immer wieder herhalten, um zu beschreiben: Er will Sex – Sie nicht. Doch warum etwas umschreiben, das jedem geläufig ist? Wir behandeln die Unlust der Frau wie ein Tabuthema, das lediglich als Running Gag dient. Doch Dinge, mit denen man hadert, über die man aber nicht spricht, lösen sich nicht von selbst. Daher nehme ich euch heute mit auf eine Reise in Pauls Sexleben. Als er vor wenigen Wochen bei mir in der Praxis saß, war er verzweifelt, denn seine Frau Carmen wollte nicht mehr mit ihm schlafen. Ich konnte ihm ansehen, wie sehr er darunter litt, – zumal er einfach nicht wusste, woran es lag.

Ich beruhigte Paul, der sich unsicher geworden fragte, welche Fehler er machte, damit, dass jede dritte Frau Lustlosigkeit verspürt, das ergaben Studienvergleiche in 29 Ländern. Ein globales Problem also, das dennoch recht unbekannt im Alltag ist. Paul ist mit seiner Problematik nicht allein. Mehr als die Hälfte aller Paare klagt über die sexuelle Unlust der Frau. [1] Im Übrigen können auch Männer keine Lust auf Sex haben, – darauf gehe ich in einem der folgenden Artikel ein!

Reise in die Biologie

In meinem Gespräch mit Paul hatte ich das Gefühl, wie gut es ihm tat, mit mir, einer Übersetzerin zwischen Mann und Frau zu sprechen. Zunächst einmal war es mir wichtig, beim Thema Sex eine Reise in die Biologie zu starten, denn wir sind zu 90 Prozent von ihr gesteuert, dabei ist es egal, für wie überlegt und clever wir uns halten. Unsere Instinkte entscheiden, wer Freund und wer Feind ist. Unsere Biologie steuert Hormone, Antrieb, Stress und Glücksgefühle. Selbst das Verliebtsein und die Lust.

Im Kern geht es, wie sollte es auch anders sein, um das Thema Fortpflanzung. Wenn wir uns verlieben, schütten wir Hormone aus, die wie Drogen wirken und uns Sexualität noch einmal ganz anders erleben und intensiv empfinden lassen. Und generell haben Frauen und Männer hormonell eine unterschiedliche Wahrnehmung von Sexualität. Für Paul bedeutet sie zum einen Stressentlastung, zum anderen aber auch eine Verbindung zu seiner Frau Carmen. Er baut, wie andere Männer auch, Kuschelhormone auf und somit ist Sex für ihn gleichbedeutend mit Nähe, gemeinsamer Zeit zu zweit und Verbundenheit. Und er hatte vor unserem Gespräch immer angenommen, Carmen nehme Sex genauso wahr. Für ihn war es daher erschütternd, als sie den Sex immer mehr ablehnte und in seinen Augen damit auch die Verbundenheit und Nähe zueinander.

Paul will – Carmen nicht

Carmen wollte erst weniger und dann keinen Sex mehr mit Paul und der konnte das nicht verstehen und fühlte sich zurückgestoßen das führte zu einem riesigen Beziehungsproblem, das auch mit einer ungünstigen Machtverteilung einhergegangen ist. Carmen hatte, da sie keine Lust hatte, die Handlungsmacht: „Heute nicht!“ Und Paul, der mehr wollte, die Definitionsmacht: „Mit, dir stimmt etwas nicht!“ Paul wurde immer mehr zu einem Bittsteller, da er ein Bedürfnis hatte, das Carmen fehlte, und sie wurde immer giftiger, weil Paul sie nicht verstehen konnte. Sie fühlte sich bald benutzt und wie ein Stück Fleisch und sie verstand sich auch selbst nicht mehr. Sie hatte auch keine Lust und Angst vor den Auseinandersetzungen mit Paul und mit der eigenen Unlust. – auf lange Sicht wurden beide immer unglücklicher.

Aber warum haben Frauen keine Lust auf Sex?

Beziehungsprobleme

Als Paul über seine Frau sprach, konnte ich ihm seine tiefe Liebe und Wertschätzung in jedem seiner Worte anmerken. Natürlich gab es auch in ihrer Ehe über die Jahre Konflikte, aber er berichtete mir aufrichtig davon, wie sehr er seine Frau schätzt und dass sie ihm oft versichert, dass es ihr genauso geht. Doch sehr oft sind tiefe Beziehungsprobleme Ursache der sexuellen Probleme. Sie können der Grund sein, da Frauen, die sich in ihrer Beziehung nicht wohlfühlen, denen Respekt und Wertschätzung fehlen, oftmals nicht von Herzen die Nähe zu ihrem Mann haben, um ihn in sich aufzunehmen. Sie stoßen ihn in Gedanken und körperlich ab.

Generell können Probleme im Alltag das Liebesleben stark beeinflussen. Menschen sind keine Maschinen und Phasen des Umbruchs können sich lusthemmend auswirken. Viele Frauen fühlen sich gestresst zwischen Kindern, Beruf, Familie und Haushalt. Sie nehmen sich wenig Zeit für sich und die Lust bleibt auf der Strecke.

Schmerzen

Carmen hatte Paul erzählt, dass sie auch schon Schmerzen beim Sex hatte und sich nicht fallen lassen kann. Also sprach ich mit Paul über einen weiteren Faktor, der für Frauen oft zu einer Ablehnung von Sexualität führt, denn um die 10 % aller Frauen zwischen 26 und 65 klagen über Schmerzen beim Sex. [2] Dabei kann schon die Angst vor Schmerzen die Lust hemmen. Carmen hatte lange nicht davon gesprochen, sie hielt es einfach für normal. Frauen haben leider die Tendenz dazu, Dinge hinzunehmen, die sie so nicht akzeptieren müssen. Aus Gesprächen mit verschiedenen Frauen weiß ich, dass schon ein gewisses Gewöhnen an Schmerzen oder Probleme stattgefunden und sie gar nicht wissen, dass ein Gespräch mit der Frauenärztin Veränderungen bringen kann, da Schmerzen von Endometriose, Scheidentrockenheit oder Zysten ausgelöst werden können und eine Behandlung sehr gut möglich ist. Ich habe Frauen kennengelernt, die sich erst am Ende der Wechseljahre mit ihrem Körper beschäftigt haben und so erfuhren, dass sie ein Leben lang umsonst gelitten haben.

Hormone

Über den dritten Hauptgrund, warum Frauen weniger Lust auf Sex haben zu sprechen, liegt mir besonders am Herzen. Vor allem, weil so wenig Aufklärung darüber herrscht. So hat es mich auch nicht gewundert, dass Paul mit offenem Mund vor mir saß, als ich ihm von Hormonveränderungen und ihren möglichen Auswirkungen im Körper seiner Frau berichtet habe. Ja, klar, PMS und Wechseljahre hat man schon gehört, aber wie Hormone den weiblichen Körper wirklich beeinflussen, ist recht unbekannt, dabei gibt ein Drittel aller Frauen zwischen 26 und 65 an, nur noch ein reduziertes körperliches Verlangen zu spüren, unabhängig von der jeweiligen Lebenssituation. [3]

Aber warum werden Frauen denn „unlustig“? Zunächst einmal beeinflussen Hormone Frauen viel mehr als sie selbst wissen, so hat eine Studie zum Beispiel ergeben, dass sich Frauen schicker kleiden, wenn sie ihren Eisprung haben, ohne dass sie sich dessen bewusst sind. [4] Die weiblichen Hormone sind verschiedenen Zyklen unterworfen, nicht nur dem Monatszyklus, sondern auch dem des Lebens. So steuern sie beispielsweise ein Nachlassen der Lust auf Sexualität, wenn die Fortpflanzung abgeschlossen ist. Dass wiederum führt zu Beziehungsproblemen. Paul berichtete, wie schwer es ihm fiel, nach der Geburt ihrer Kinder auf Sex mit Carmen zu verzichten. Er fühlte sich im Alltag schon wie das fünfte Rad am Wagen, das verstärkte sich durch die Lustlosigkeit seiner Frau. Stress und Überforderung ist ein großer Faktor bei Frauen und Männern zum Thema Lust. Wenn der Körper sich im Reptilienhirn durch Stress ums „Überleben“ kümmert, ist fehlender Sex gerade das kleinste Problem.

Gerade war das aber nicht Paul und Carmens Schmerzpunkt. „Carmen ist eher so im Alter für die Wechseljahre“, sagte er leichthin, und das war dann auch der Schlüssel, denn in den Wechseljahren stellen die Eierstöcke allmählich die Östrogenproduktion ein. Der Pegel der weiblichen Sexualhormone sinkt also, wodurch bei den betroffenen Frauen die Libido nachlässt. [5]  Doch das betrifft nicht nur die Lust, manche Frauen rutschen in Depressionen, werden müder, verlieren ihre Freude und Antriebskraft. Diese rein körperliche Aufklärung der Ursache kann oftmals auch einen richtigen Aha-Moment auslösen. Carmen berichtete mir später, dass sie sehr damit zu kämpfen hatte und sich immer wieder fragte, ob etwas mit ihr nicht stimmt. Als sie jedoch ihren Hormonstatus überprüfen ließ und feststellte, dass sie in den Wechseljahren war und es sich um eine natürliche Ursache handelte, verhalf es ihr, den eigenen Körper wieder mehr wertzuschätzen und weniger an ihm zu zweifeln. Doch was für mich persönlich unbegreiflich ist, dass erst gestern eine Frau mit 47 Jahren in meiner Praxis saß, frisch getrennt von ihrem Mann und das wegen seit Jahren bestehender Unlust. Was mich dabei so geärgert hat? Sie war vor drei Jahren deswegen beim Frauenarzt und der sagte, dass sie mit 44 doch nicht in den Wechseljahren ist, und da bräuchte man nichts tun. Ich bekomme immer wieder mit, wie Frauenärzte uns Frauen regelrecht im Regen stehen lassen und nicht aufklären. Und leider auch, dass sich viele Frauen, aber auch Männer von allein wenig für die biologischen Vorgänge in ihrem Körper interessieren. Dabei wäre das zum Thema Lust und Hormone enorm wichtig, um dem Körper zu helfen und Ohnmacht zu lösen.

Ein gutes Verhältnis zum eigenen Körper hilft sich wieder sexy zu fühlen. (Bild: poznyakov)

Frau liegt entspannt mit Kerzen in der Badewanne.
Ein gutes Verhältnis zum eigenen Körper hilft sich wieder sexy zu fühlen. (Bild: poznyakov)

Wie findet man gemeinsam zurück in ein erfülltes Liebesleben?

Neben dem Vorschlag, dass Carmen ihren Hormonstatus unter die Lupe nimmt, gab ich Paul ein paar weiter Tipps mit an die Hand, wie sie ihr Sexleben wieder beleben können. Zunächst einmal ist es wertvoll, gemeinsam bei einem Spaziergang, oder Arm in Arm über ihre Bedürfnisse zu sprechen um Missverständnisse, die darauf basieren, dass Männer und Frauen Sexualität unterschiedlich wahrnehmen, zu vermeiden. Wenn beide tiefes Verständnis füreinander fühlen und auch beide ihr Sexleben wieder beleben wollen, können sie gemeinsam über Lösungen nachdenken.

Sexualität ist auch wie ein Muskel. Wird er nicht bedient und nicht trainiert, erschlafft er. Eine Möglichkeit kann sein zu sagen: „Ok was haben wir zu verlieren“ und direkt miteinander in die Kiste zu hüpfen. Aber es kann auch hilfreich sein, langsam über Nähe, gemeinsames Lachen und Flirten im Alltag wieder Lust aufzubauen. So kann die Frau energetisch wieder aufgeladen werden und es kann eine neue Art von Sexualität, ein neues Knistern zwischen beiden entstehen. Diese muss nichts mit Leistungsdruck zu tun haben und auf jeden Fall zum Orgasmus führen oder Ähnliches. Jedes Paar ist auch hinsichtlich seiner Sexualität individuell und zusammen kann etwas neues Wunderbares entstehen, das vielleicht auch gar nichts mit der früheren Sexualität zu tun hat.

Als Carmen sich intensiver mit ihren Hormonen beschäftigt hat, wollte sie an den wirklichen Ursachen ihrer Unlust arbeiten und begann mit natürlichen Mitteln ihre Hormone natürlich zu regulieren. Ich persönlich bekam nach einer geplatzten Zyste und völligem Hormonchaos danach von meiner Frauenärztin den Tipp, Mönchspfeffer und Yamswurzel zu nehmen. Mir hat das extrem geholfen. Mein Mann konnte seitdem an meiner Stimmung nicht mehr erkennen, wann meine Regel kommt. Ich fühlte mich deutlich ausgeglichener und leichter. Daher würde ich persönlich ein passendes pflanzliches Mittel empfehlen. Möglich sind auch künstliche Hormone, doch das sollte immer mit dem Frauenarzt abgesprochen werden. Aber einem, der Symptome einordnen und medizinisch per Ultraschall den Unterleib und die jeweilige Situation abklären kann. Carmen begann zudem bewusst auch Paul mit ins Boot zu holen und mit ihm mehr über ihre Empfindungen und Stimmungsschwankungen zu sprechen. Carmen hat das sehr berührt, dass Paul sie nicht mehr für schuldig erklärt, sondern mit ihr im Team Lösungen sucht. So haben die beiden wieder zurück in ein für beide erfüllendes Liebesleben, das geprägt ist von einem tiefen Verständnis füreinander gefunden.

Bald erscheint auf diesem Blog auch ein Beitrag zum Thema sexuelle Unlust beim Mann. Seid gespannt!

Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie die wirklichen Ursachen von Unlust erkennen können und gemeinsam ein erfülltes Liebesleben haben!

Ihre Sandra Hornsteiner

Wie findet man als Frau zurück in ein erfülltes Liebesleben?

Oftmals haben Frauen, da in der Gesellschaft nur ungern darüber gesprochen wird, ein mangelndes Bewusstsein für ihren Körper. Wichtig: Eine Frau ist nicht schuld an ihren Empfindungen, kann aber lernen, besser damit umzugehen und sie zu verstehen. Daher ein paar hilfreiche Ratschläge:

  • Frage dich: Was kann ich tun, um wieder mehr Freude im Bezug auf Sexualität zu erleben
  • Gehe bewusst weg davon, die Schuld bei deinem Partner zu suchen und beschäftige dich mit deinen Gefühlen und den Signalen deines Körpers.
  • Wenn du die Ursachen zum Beispiel beim Hormonstatus gefunden hast, dann nutze das als Möglichkeit und Chance zu einer Veränderung
  • Hole deinen Partner mit ins Boot. Erkläre ihm deinen Körper mitsamt seinen Veränderungen, damit er dich verstehen kann.

Sexualität ist ein Muskel: Wenn man ihn nicht bedient, verkümmert er. Daher gibt es viele Tipps, um ihn wieder zu füttern, aber jede Frau ist hierbei individuell. Wichtig ist aber: Die Grundlage für Sex ist der Alltag. Daher:

  • Erinnere dich: Wie ging es mir, als es gut lief. Was habe ich genossen?
  • Wie schaffe ich ein positives Körpergefühl? Wie fühle ich mich sexy?
  • Wie stimme ich mich ein? Zum Beispiel über Kleidung oder Musik.

[1] https://www.schweizer-illustrierte.ch/lifestyle/gesundheit-und-fitness/check-up-sex-leidenschaft-liebe-langweile-paartherapie

[2] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1177752/umfrage/sexuelle-probleme-unter-frauen-in-deutschland-nach-alter/

[3] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1177752/umfrage/sexuelle-probleme-unter-frauen-in-deutschland-nach-alter/

[4] https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/sexualitaet/eisprung_aid_117289.html

[5] https://www.netdoktor.de/symptome/libidoverlust/

Bild: konradbak