Titelbild: Paar geht aufeinander los, aufgrund vieler ungeklärter Themen.

Datum

Hilfe mein Partner versteht alles als Vorwurf

„Manchmal habe ich einfach das Gefühl, wir sprechen gar nicht die gleiche Sprache!“ Verzweifelt stützt Maria das Gesicht in die Hände. Gerade hat sie sich wieder einmal mit ihrem Mann gestritten. Egal was sie zu ihm sagt, so kommt es ihr vor, er versteht es immer als Vorwurf. Selbst wenn sie doch eigentlich nur ein paar Dinge ansprechen möchte, die in ihren Augen nicht gut laufen fühlt er sich gleich angegriffen. Die früher positive Haltung der beiden, die Kompromissbereitschaft und das Verständnis wurden immer mehr von Missverständnissen, Streit und Schuldzuweisungen abgelöst.  

Kurz erklärt: Was ist ein Vorwurf?

Etwas vorzuwerfen ist, als würde man einen randvollen Güllelaster fahren und eine volle Ladung vor die Haustür des anderen kippen. Besonders Schuldzuweisungen lösen dabei beim Gegenüber negative Gefühle aus und werden auch selten auf sich sitzen gelassen. Und dann geht es intensiv nur noch darum, wer recht hat.

Vorwürfe selbst sind meist laut, ungerecht, mit Spitzen versehen und wenig selbstreflektiert oder wertschätzend.

Warum werfe ich vor?

Doch woher kommen diese Vorwürfe eigentlich?  Der Ursprung von Vorwürfen ist häufig, dass man hofft, der andere macht etwas genauso wie ich mir das vorstelle, und möglichst ohne das ich damit in Berührung komme.

Angenommen, ich wünsche mir, dass es immer fein säuberlich aufgeräumt und geputzt ist, sodass die Wohnung beinahe so wirkt, als sei man in einem Möbelhaus. Und jede Kleinigkeit, die der andere rumliegen lässt, stört mich, also werfe ich das vor. Die Frage dabei ist: Warum habe ich diesen Wunsch? Der Hintergrund ist vielleicht, dass ich kein Chaos möchte, wenn ich nach Hause komme. Nach stressigen und hektischen Arbeitsalltagen möchte ich Ordnung, um runterzukommen. Das dahinterliegende Problem ist der große Stress, unter dem ich durch viele Umwälzungen im Unternehmen stehe.

Wenn man selbst nur in einem ordentlichen Haus entspannen kann, ist der nahe liegende und auch die eigenen Nerven schonende Prozess nicht dem Partner jedes Mal durch Seufzen, genervte Blicke oder Worte vorzuwerfen, wenn mal ein Schuh im Weg liegt, das Geschirr noch nicht sofort weggeräumt oder die Wohnzimmertür offen ist, sondern herauszufinden: Wie kann ich auch im Chaos entspannen?

Hierfür kann man andere Wege finden und es zum Beispiel schaffen, durch Musik, Bewegung, Meditationen oder andere Dinge so runterzukommen, dass es egal ist, was im Außen passiert. Wenn man nicht auch im Sturm ruhig im Auge des Orkans sein kann, verlangt man von seinem Partner, alles so bereitzustellen, dass man sich nicht selbst mit sich auseinandersetzen muss. Noch dazu wirft man dem anderen die Gülle vor: Du bist nicht da, du hältst keine Ordnung!

Einen wirklich reflektierten Vorwurf an sich gibt es so nicht. Anstatt Vorwürfe zu machen ist ein besserer Schritt, sich zu überlegen, wie man für sich selbst sorgen kann und dann kann man Restthemen in einer guten Streitkultur klären.

Wie können wir unsere Situation verbessern?

1. Lernen Kritik anders zu äußern

Wenn man den Eindruck hat, der Partner versteht alles als Vorwurf, ist es in erster Linie wichtig zu lernen, Kritik anders zu äußern. Auch wenn ich für mich sage: Ich mach das doch alles liebevoll und freundlich, dann stimmt dennoch etwas nicht, wenn der andere nicht mit mir in ein positives Gespräch geht. Das kann auch an unserem Zusammenspiel liegen.

Jede Person hat andere Triggerpunkte und eventuell drücke ich sie auch unbewusst bei meinem Partner. Es hilft auch, sich Gedanken darüber zu machen, wie oft man selbst Kritik in Gedanken oder in Worten mit in den Beziehungsraum bringt. Ein Trick ist, sich selbst zu beobachten und einmal wirklich ehrlich zu überlegen: Wie oft kritisiere ich in Gedanken, in Gestik, in Mimik oder auch mit giftigem Humor? Diese Beobachtungen kann man in Form einer Strichliste festhalten. Die Ergebnisse werden bestimmt überraschen.

2. Freund und Feind verstehen

Wenn man das Gefühl hat, es stehen immer Vorwürfe im Raum und man kann gar nicht mehr als die besten Freunde miteinander sprechen, die man eigentlich sein möchte, lohnt es sich noch einmal einen Blick auf die Freund-Feind-Dynamiken zu werfen. Die findest du hier: https://unternehmer-beziehung.de/2021/10/25/kurz_und_knapp_das_freund_feind_schema/

Wer im Feind ist, kann noch so sehr glauben, er äußert seine Kritik sachlich und ruhig, die Energie wird aber trotzdem von anderen wahrgenommen. Auch weil sich unsere Kommunikation nicht auf Worte beschränkt, sondern zum Beispiel auch Mimik und Gestik miteinschließt.

3. Den Streitleitfaden nutzen

Um Restthemen gut und nachhaltig zu klären, ohne in unnötige Vorwürfe zu verfallen, hilft unser Streitleitfaden: Den findest du hier: https://unternehmer-beziehung.de/2021/07/12/der_streitleitfaden_fuer_deine_beziehung/

Gerade bei Vorwürfen bekommt der andere in erster Linie den Standpunkt mitgeteilt, wie alles muss picobello sauber sein! Aber das Bedürfnis dahinter bleibt oft im Verborgenen. Daher ist es wichtig, sich auch in Eigenverantwortung über die Bedürfnisse auszutauschen, um gemeinsame Lösungen zu finden.

Sind Vorwürfe über Jahre schon sehr verfestigt wie: „Du hast nie Zeit für mich!“ oder „Wir haben nie Sex!“ ist es oft nicht mehr möglich allein über den Schatten zu springen. Hier kann ein Therapeut, oder idealerweise ein Therapeutenpaar mit Sichtweise von Mann und Frau helfen wieder zueinanderzufinden in einer vorwurfsfreien Beziehung.

Für euren Weg wünschen wir nur das Beste,

Sandra und Robert Hornsteiner

Auf einen Blick 

3 Tipps, um dauernde Vorwürfe in der Beziehung zu vermeiden:

1. Sich damit auseinandersetzen, wie oft und wie man Kritik äußert.

2. Im Freund miteinander sprechen.

3. Restthemen anhand des Streitleitfadens klären.

Bild: SergeyNivens